Ein Gedankenspiel zum Thema „religiöse Wahrheit“
Heute machen wir ein kleines Gedankenspiel: Wir stellen uns dabei vor, dass wir drei hochrangige Theologen – einen jüdischen Rabbi, einen islamischen Mullah und einen katholischen Bischof – an einen Tisch setzen und sie darum bäten in jeweils 5 Minuten die wichtigsten Glaubensaussagen ihrer Religion vorzutragen. Dann vergleichen wir akribisch diese Aussagen und versuchen die Wahrheit herauszufinden. Recht schnell werden wir erkennen, dass die drei vorgetragenen Lehren in vielen Punkten voneinander abweichen und die Schnittmenge so klein ist, dass keine der drei Lehren noch darin erkennbar ist. Da aber alle drei Theologen ja die nach ihrer Ansicht „wahre Lehre“ vorgetragen haben müssen mindestens 2 der 3 Lehren eben unwahr sein. Je nach Standpunkt des Betrachters sind das immer die beiden „anderen“ und damit kommen wir höchstens zu dem Schluss, dass sich mit dieser Methode keine der drei Lehren als „Wahrheit“ feststellen lässt. Als „wahr“ empfunden wird nämlich immer das was mit der eigenen Gefühls-, Erfahrungs- und Glaubenswelt übereinstimmt. Das Wahrheitsempfinden selbst ist subjektiv und wenn der Betrachter zuvor mit keiner dieser drei Lehren je in Berührung gekommen, sondern auf einer Südseeinsel mit einer „Naturreligion“ aufgewachsen ist, empfindet er alle drei Lehren als gleichermaßen befremdlich.
Wenn also der „innere Zustand“ für das Wahrheitsempfinden verantwortlich ist, sollten wir uns in erster Linie auch vor allem darum kümmern und folgende Sätze von Eugen Drewermann beherzigen:
„Es müssten die Worte, die wir sprechen, sein wie der Wind, der durch die Blätter des Weinberges weht, so sanft, so befruchtend und so zart. Es müssten unsere Augen so warm und hell sein wie die Sonne am Himmel, dass sie jede Angst entfernt und das Erdreich lockert für die Pflanzen, die aufsteigen möchten zum Licht, und den reifenden Früchten Mut macht, sich zu entfalten, und ihnen ihre Süßigkeit gibt in den Stunden der Vollendung. Es sollten unsere Hände und unser Tun mild sein wie ein Morgenregen und wie der Tau über den Blättern. So sollten wir einander reifen lassen im Weinberg des Herrn.“
Wenn wir so miteinander umgehen, werden uns diese Aussagen zur Wahrheit! Von Religion ist aber dann keine Spur mehr zu entdecken!