Zur Sexualität im Wassermannzeitalter
Untersucht man die unterschiedlichen Kulturräume der Menschheit auf die darin gelebte Sexualität dann stößt man vor allem auf die grundsätzlichen Unterschiede der „östlichen“ von der „westlichen“ Sexualität. Ganz offensichtlich erscheint dabei, dass die Sexualität im kollektiven Maßstab dem vorherrschenden Wertesystem folgt, so wie die individuelle Sexualität ganz deutlich Ausdruck der individuellen Persönlichkeit samt all ihrer neurotischen Störungen ist. Da wir nun in eine Zeit kommen werden – dem Wassermannzeitalter – in dem die Bedürfnisse der Frau in den Mittelpunkt all unseres Denkens und Handelns kommen werden, ist es an der Zeit auch darüber nachzudenken, ob sich nicht auch die in unserem Kulturkreis vorherrschende Sexualität diesem „neuem Bewusstsein“ anpassen sollte.
Als ausgesprochenen „Experten und Vordenker“ dieser „neuen Sexualität“ empfinde ich den indischen Philosophen und Begründer der Neo-Sannyas-Bewegung, den ich darum hier zu diesem Thema mit einem bemerkenswerten Beitrag zu Wort kommen lassen will.
Als Fazit vorweg:
Wir „westlichen Männer“ haben noch viel zu lernen!
Osho: „Über die Unterschiede zwischen Frau und Mann“
„Die meisten Unterschiede zwischen Mann und Frau rühren von der jahrtausendealten Konditionierung her. Es sind keine grundlegenden natürlichen Unterschiede. Es gibt jedoch ein paar Verschiedenheiten, die die einzigartige Schönheit und Individualität von Mann und Frau ausmachen. Diese Unterschiede lassen sich an ein paar Fingern abzählen.
Einer besteht darin, daß die Frau imstande ist, Leben hervorzubringen, und der Mann nicht. In dieser Hinsicht ist er ihr unterlegen, und diese Unterlegenheit hat eine entscheidende Rolle in der Herrschaft des Mannes über die Frau gespielt. So funktioniert der Minderwertigkeitskomplex: Man tut so, als wäre man der Überlegene, und auf diese Weise macht man sich selbst und der ganzen Welt etwas vor. Darum hat der Mann seit undenklichen Zeiten die Genialität der Frau, ihre Talente und Fähigkeiten unterdrückt, um sich selbst und der Welt seine Überlegenheit zu beweisen.
Die Frau ist, solange sie ein Kind austrägt, für neun Monate und länger äußerst schutzbedürftig und vom Mann abhängig. Die Männer haben das auf sehr häßliche Weise ausgenutzt. Das ist aber nur ein physiologischer Unterschied, der überhaupt nicht ins Gewicht fällt.
Die psychologische Verfassung der Frau ist vom Mann verfälscht worden, indem er ihr Dinge erzählte, die nicht wahr sind. Er hat sie zu seiner Sklavin gemacht, hat sie in dieser Welt zu einer Bürgerin zweiter Klasse degradiert. Und der Grund dafür ist, daß er die stärkeren Muskeln hat. Die Muskelkraft gehört jedoch zu unserem animalischen Erbe. Wenn sich daraus eine Überlegenheit ableiten ließe, wäre jedes Tier dem Mann überlegen.
Doch die wahren Unterschiede sind zweifellos vorhanden, und wir müssen sie hinter einem Berg von fiktiven Unterschieden aufspüren. Ein Unterschied, den ich sehe, besteht darin, daß die Frau mehr zur Liebe fähig ist als der Mann. Die Liebe des Mannes ist mehr oder weniger eine physische Notwendigkeit; die Liebe der Frau ist das nicht. Sie ist etwas Größeres, Höheres; sie ist eine spirituelle Erfahrung. Deshalb ist die Frau auch monogam, während der Mann polygam ist. Der Mann wünscht sich sämtliche Frauen der Welt und wäre doch nie befriedigt in seiner grenzenlosen Unzufriedenheit.
Die Frau hingegen kann mit einer einzigen Liebe zufrieden sein, völlig erfüllt, denn sie schaut nicht auf den Körper des Mannes; sie schaut auf seine innersten Qualitäten. Sie verliebt sich nicht in den Mann, der einen schönen, muskulösen Körper hat; sie verliebt sich in einen Mann, der Charisma hat – etwas Undefinierbares, ungeheuer Anziehendes –, einen Mann, der ein Geheimnis in sich trägt, das es zu entdecken gilt. Sie sucht nicht bloß einen Mann; sie sucht das Abenteuer der Erforschung des Bewußtseins.
Der Mann ist, was seine Sexualität betrifft, sehr schwach; er kann nur einen einzigen Orgasmus haben. Darin ist ihm die Frau unendlich überlegen; sie kann mehrfache Orgasmen haben. Das hat sich als eines der schwierigsten Probleme erwiesen. Der männliche Orgasmus ist lokal, auf die Genitalien beschränkt. Der weibliche Orgasmus ist total und nicht auf die Genitalien beschränkt. Ihr ganzer Körper ist sexuell erregbar, und sie kann eine wunderbare orgasmische Erfahrung haben – tausendfach größer und tiefer, bereichernder und nährender, als ein Mann sie je haben kann.
Doch die Tragödie besteht darin, daß ihr ganzer Körper angeregt werden muß, und daran ist der Mann nicht interessiert; daran war er nie interessiert. Er hat die Frau als Sexmaschine benutzt, nur um seine eigenen sexuellen Spannungen loszuwerden. Innerhalb von Sekunden ist er fertig. Und wenn er fertig ist, hat die Frau noch nicht einmal angefangen!
Sobald der Mann mit dem Geschlechtsakt fertig ist, dreht er sich um und schläft. Der Geschlechtsakt verschafft ihm einen tiefen, entspannten Schlaf, nachdem er alle Spannungen in der sexuellen Betätigung losgeworden ist. Und noch jede Frau, die das erlebte, hat geweint und geheult. Sie hat noch nicht einmal begonnen, sie ist noch nicht in Fahrt gekommen. Sie ist benutzt worden, und das ist die häßlichste Sache im Leben: wenn man wie ein Ding, wie eine Maschine, wie ein Objekt benutzt wird. Sie kann dem Mann nicht verzeihen, daß er sie benutzt hat.
Damit die Frau als Partnerin ebenfalls orgasmisch wird, muß der Mann das Vorspiel lernen, muß er lernen, im Bett ohne Eile zu sein. Er sollte aus der Liebe eine Kunst machen. Man kann aus dem Schlafzimmer einen Liebestempel machen – mit Räucherstäbchen und gedämpftem Licht, nur Kerzenschein. Und der Mann sollte sich der Frau nur nähern, wenn er in einer positiven Stimmung ist, voller Freude, überfließend. Normalerweise ist es so, daß Mann und Frau erst streiten, bevor sie sich lieben. Das vergiftet die Liebe. Sie wird zu einer Art Waffenstillstand – zumindest für eine Nacht. Liebe als Bestechung, als Täuschungsmanöver.
Der Mann sollte so Liebe machen, wie ein Maler ein Bild malt: wenn sich sein Herz danach gedrängt fühlt. Oder wie ein Dichter ein Gedicht schreibt, wie ein Musiker Musik macht. Der Körper der Frau sollte wie ein Musikinstrument sein, denn er ist es. Wenn der Mann voller Freude ist, wird der Sex für ihn nicht bloß als Entladung, als Entspannung, als Schlafmittel dienen. Dann wird es ein Vorspiel geben. Dann wird er mit der Frau tanzen, wird mit ihr singen, und schöne Musik und Räucherwerk – was immer sie beide mögen – werden den Liebestempel erfüllen. Sex sollte zu etwas Heiligem werden, denn im gewöhnlichen Leben gibt es nichts Heiliges, außer ihr macht die Liebe zu etwas Heiligem. Damit öffnet ihr zum ersten Mal eine Tür zum Phänomen des kosmischen Bewußtseins.
Liebe sollte niemals erzwungen werden, Liebe sollte niemals angestrengt sein. Ihr solltet sie überhaupt nicht im Kopf haben. Ihr spielt, tanzt, singt, genießt einfach… es ist alles Teil eurer ausgedehnten Freude. Wenn es passiert, ist es schön. Wenn Liebe passiert, hat sie eine Schönheit. Wenn ihr es macht, ist es häßlich.
Und wenn ihr euch liebt und der Mann oben auf der Frau ist… man nennt das die »Missionarsstellung«. Der Osten findet das häßlich, weil der Mann schwerer, größer und muskulöser ist und das zarte Wesen unter sich fast erdrückt. Im Osten hat man es immer genau umgekehrt gehalten: die Frau oben. Unter dem Gewicht des Mannes hat die Frau keine Bewegungsfreiheit. Dann bewegt sich nur der Mann und kommt innerhalb von Sekunden zum Orgasmus, und die Frau ist in Tränen aufgelöst. Sie, als seine Partnerin, wurde überhaupt nicht einbezogen. Sie wurde nur benutzt. Wenn die Frau oben ist, hat sie mehr Bewegungsfreiheit und der Mann weniger, und das wird ihren Orgasmus näher zusammenbringen. Wenn beide gemeinsam zum Orgasmus kommen, hat es etwas Überirdisches. Es ist der erste Funken von Samadhi (kosmischem Bewußtsein), der erste Funke der Erfahrung, daß der Mensch nicht sein Körper ist. Man vergißt den Körper, vergißt die Welt. Dann öffnet sich für beide, Mann und Frau, eine neue Dimension, die sie noch nie entdeckt hatten.
Die Frau hat die Fähigkeit zu multiplen Orgasmen; darum sollte der Mann so langsam wie möglich vorgehen. In der Realität hat er es jedoch mit allem so eilig, daß die ganze Beziehung deswegen kaputtgeht. Der Mann sollte ganz entspannt sein, damit die Frau mehrere Orgasmen haben kann. Sein Orgasmus sollte ganz zum Schluß kommen, wenn die Orgasmen der Frau ihren Höhepunkt erreicht haben. Es ist eine simple Frage des Verstehens der natürlichen Zusammenhänge.
Das sind natürliche Unterschiede; sie haben nichts mit der Konditionierung zu tun. Es gibt noch andere Unterschiede. So zum Beispiel ist die Frau zentrierter als der Mann. Sie ist gelassener, ruhiger, geduldiger, kann besser warten. Vielleicht liegt es an diesen Eigenschaften, daß sie mehr Widerstandskraft gegen Krankheiten besitzt und länger lebt als der Mann. Durch ihre Gelassenheit, ihre Zartheit kann sie einem Mann große Erfüllung im Leben bringen. Sie wird sein Leben mit einer sanften, behaglichen Atmosphäre umgeben. Doch der Mann hat Angst. Er will nicht, daß die Frau ihn mit ihrer Sanftheit einhüllt, er will nicht, daß sie diese behagliche Wärme um ihn herum verbreitet. Er hat Angst, daß er dadurch von ihr abhängig werden könnte. Darum hat er sie seit Jahrhunderten auf Distanz gehalten. Und er hat Angst, weil er tief im Innern weiß, daß die Frau mehr ist als er: Sie kann neues Leben gebären. Sie ist von der Natur zur Fortpflanzung auserkoren, nicht der Mann.
Die Funktion des Mannes bei der Fortpflanzung ist praktisch null. Diese Unterlegenheit hat zum größten Problem geführt: Der Mann fing an, der Frau die Flügel zu stutzen. Er fing an, sie in jeder Hinsicht herabzusetzen und zu verurteilen, damit er glauben konnte, er sei der Überlegene. Er hat die Frauen wie Vieh behandelt – und noch schlimmer.“
Aus: The Sword and the Lotus