Evangelium nach Maria Magdalena

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 Das Evangelium der Maria (manchmal auch: Evangelium der Maria Magdalena) gehört zu den Apokryphen des Neuen Testaments. Es handelt sich um eine gnostische Schrift, die auf etwa 160 n. Chr. datiert wird. Bei der Maria, die dem Evangelium den Namen gegeben hat, handelt es sich möglicherweise um Maria Magdalena. Da im Text selbst jedoch nur allgemein von „Maria“ die Rede ist, bleibt diese Zuordnung unsicher. Das Evangelium besteht im ersten Teil aus Dialogen zwischen dem auferstandenen Jesus und seinen Jüngern und Jüngerinnen. Es enthält außerdem im zweiten Teil eine Vision Maria Magdalenas. Die beiden Teile scheinen ursprünglich voneinander unabhängig gewesen zu sein. Verbunden werden sie durch die Figur der Maria, die am Ende des ersten Teils auftritt. Im zweiten Teil ist ihre Rolle deutlich ausgeprägter, so dass der Titel Evangelium der Maria streng genommen nur auf den zweiten Teil des Apokryphons passt. Nach allgemeiner Forschungsmeinung war das Original der Schrift in griechischer Sprache verfasst. Das Evangelium ist nicht vollständig erhalten, sondern nur als Fragment. Die Seiten 1–6 und 11–14 der insgesamt 18 Seiten umfassenden Schrift sind verloren. Der erhaltene Textbestand des Werks ist in sahidisch, einem koptischen Dialekt, verfasst und im Kodex Berolinensis 8502 enthalten, der ins 5. Jh. datiert. Daneben existieren zwei später gefundene griechische Fragmente, von denen eines in wenigen Punkten von der koptischen Fassung abweicht, während das andere mit dem koptischen Text übereinstimmt. (Quelle: Wikipedia)

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Text:

„Wird Materie nun zerstört oder nicht?“

Der Retter sprach: „Alles Natürliche, jede Form, sämtliche Kreaturen existieren in- und miteinander, und sie lösen sich wieder in das auf, aus dem sie entstanden sind. Denn die Natur der Materie kann sich nur wieder in ihre eigenen Wurzeln auflösen. Jener, der zwei Ohren besitzt, den lasset hören.“

Petrus sprach zu ihm: „Nachdem du uns alles erklärt hast, erzähle uns auch dies: Was ist die Weltsünde.“

Der Retter sprach: „Es gibt keine Sünde. Ihr erschafft Sünde mit den Dingen, die ihr tut, dies ist z.B. die Natur des Ehebruchs, die Sünde genannt werden kann. Das ist der Grund, wieso das Gute in eure Mitte trat, als Essenz einer jeden Natur, um sie wieder zu Seinen Wurzeln zurückzuführen.“

Dann fuhr Er fort und sprach: „Dies ist der Grund, wieso ihr krank werdet und sterbt. Jener der verstehen kann, der verstehe. Die Materie gebar eine Leidenschaft (Leid?), der keiner ebenbürtig ist und aus etwas der Natur Gegensätzlichem entstand. Denn darauf folgt eine Störung des ganzen Körpers. Dies ist auch der Grund, wieso ich sagte: ‚Seid guten Mutes!’, wenn ihr entmutigt seid, seid mutig in der Gegenwart der verschiedenen Formen der Natur. Jener der Ohren hat, der höre.“

Als der Gesegnete dies sagte, grüßte Er sie alle und sprach: „Friede sei mit euch. Empfangt meinen Frieden in euch. Achtet darauf, dass euch niemand in die Irre führt, indem er sagt: ‚Seht hier, seht dort…’, denn der Sohn Gottes ist in euch. Folget Ihm! Jene, die Ihn suchen, werden Ihn auch finden. Gehet hin und prediget das Evangelium des Königreichs. Legt nicht sämtliche Regeln beiseite, die ich euch mitteilte, und gebt kein Gesetz auf, so wie es die Gesetzesgeber tun und euch somit beschränken.“

Als Er dies gesprochen, verschwand er. Doch sie waren betrübt. Sie weinten sehr und sagten: „Wie sollen wir zu den Heiden gehen und das Königreich des Sohn Gottes predigen? Wenn sie Ihn schon nicht verschonten, wieso sollten sie uns schonen?“

Dann erhob sich Maria Magdalena, begrüßte sie alle und sagte zu ihren Brüdern: „Weint nicht, seid weder betrübt noch unentschlossen. Denn Seine Gnade wird vollkommen für uns sein und wird euch beschützen. Lasset uns besser seine Großartigkeit preisen, denn Er hat sie für uns vorbereitet und dies machte uns zu Menschen.“ Als Maria dies sagte, wandte sie ihre Herzen zum Guten und dann diskutierten sie die Worte des Retters.

Petrus sagte zu Maria: „Schwester, wir wissen, dass der Retter dich mehr liebte als alle anderen Frauen. Berichte uns von den Worten des Retters, die du erinnerst – die du kennst und wir nicht oder von denen wir noch nie gehört haben.“

Maria antwortete und sagte:

„Was dir verborgen, werde ich dir kundtun.“ Und sie sprach zu ihnen die Worte: „Ich…“, sprach sie, „Ich sah Christus in einer Vision und ich sprach zu ihm:

’ Christus, ich sah dich heute in einer Vision.’

Er antwortete darauf und meinte:

’ Sei gesegnet dafür, dass du nicht gezaudert hast, als du mich erblicktest. Denn dort, wo der Geist ist, da ist der Hort.’

Ich sprach zu ihm:

’ Christus, wie sieht Er in einer Vision, die durch die Seele oder durch den Geist gesehen wird?’

Da antwortete der Retter und sprach:

’ Er sieht weder durch die Seele noch den Geist, sondern durch den Verstand, welcher zwischen diesen beiden steht – das ist es, wie man eine Vision sieht.’

(Der mittlere Teil des Originaltextes fehlt an dieser Stelle.)

’Ich sah nicht, wie du herabstiegst, aber jetzt sehe ich, wie du aufsteigst. Wieso lügst du also, weil du zu mir gehörst?’

Die Seele antwortete und sprach:

’ Ich sah dich. Und du hast mich weder gesehen noch erkannt. Ich diente dir einst als Gewand und du hast mich nicht erkannt!’

Als sie (die Macht) das ausgesprochen hatte, verschwand sie lachend (frohlockend):

Danach kam es auf die dritte Macht an, die da Ignoranz lautet. Sie (die Macht) befragte die Seele: ’ Wohin gehst du? In Boshaftigkeit wirst du gebannt, urteile nie!’ Und die Seele sagte: ’ Wieso verurteilst du mich, obwohl ich dich nicht verurteilt habe? Ich war gebunden, doch habe nie gebunden. Ich bin nicht erkannt worden. Aber ich habe erkannt, dass sich die Ganzheit auflösen wird, sowohl die Irdischen Dinge als auch die Himmlischen.’

Als die Seele die dritte Macht besiegt hatte, stieg sie weiter auf und erkannte die vierte Macht, die sieben Formen besaß. Die erste Form war die Dunkelheit, die zweite das Verlangen, die dritte die Ignoranz, die vierte die Furcht vor dem Tode, die fünfte das Königreich des Fleisches, die sechste die närrische Weisheit des Fleisches und die siebte die zornige Weisheit. Diese sind die sieben Mächte des Zorns.’ Sie (die Mächte) befragen die Seele: ’ Woher kommst du, Menschenmörder, oder wohin gehst du, Welteneroberer?“ Die Seele antwortete und sprach: „Was mich einst gebunden ist nun befreit, und was mich umgab, ist nun überwunden worden, und die Ignoranz ist besiegt. In einer Welt wurde ich von der Welt befreit, in einer Art himmlischen Gestalt sowie von den Fesseln der Vergessenheit, die vergänglich ist. Von jetzt an werde ich für den Rest der Zeit, der Jahreszeiten, der Äonen, in Stille beabsichtigen.’

Als Maria dies gesprochen hatte, fiel sie in Stille, denn das war der Moment, als der Retter mit ihr gesprochen hatte.

Doch Andreas antwortete und sagte zu den Jüngern:

„Sprecht, was sagt ihr darüber, was sie eben erzählt hat? Ich bin der letzte der glaubt, dass dies der Erlöser gesagt hat. Diese Lehre ist sicherlich eine befremdliche Vorstellung.“

Petrus antwortete und sprach die gleichen Dinge betreffend. Er befragte sie nach dem Retter:

„Sprach Er wirklich ohne unser Wissen mit einer Frau und das nicht öffentlich? Sollen wir uns ihr nun zuwenden und ihr künftig zuhören? Hat er sie uns vorgezogen?“

Dann weinte Maria und sagte zu Petrus:

„Mein Bruder Petrus, was denkst du denn? Denkst du, dass ich mir all dies in meinem Herzen ausgedacht habe oder dass ich über unseren Retter Lügen erzähle?“

Levi (Matthäus) antwortete und sagte zu Petrus:

„Petrus, du warst schon immer temperamentvoll. Nun sehe ich, wie du dich gegen diese Frau aufbäumst als wäre sie dein Gegner. Denn wenn der Retter sie als wertvoll erachtete, wieso möchtest du sie dann ablehnen? Der Retter kennt sie sicherlich sehr gut. Das ist der Grund, wieso er sie mehr liebte als uns. Wir sollten uns besser schämen und lieber dafür sorgen, den perfekten Menschen in uns und für uns zu leben, so wie Er es uns aufgetragen hat. Lasst uns das Evangelium predigen und nicht Gesetze aufstellen, die jenseits dessen stehen, die uns der Retter mitgeteilt hat.“

Danach begonnen sie zu verkünden und zu predigen… (Ende)

 

Teil 1

„Wird Materie nun zerstört oder nicht?“ 

Der Retter sprach: „Alles Natürliche, jede Form, sämtliche Kreaturen existieren in- und miteinander, und sie lösen sich wieder in das auf, aus dem sie entstanden sind. Denn die Natur der Materie kann sich nur wieder in ihre eigenen Wurzeln auflösen. Jener, der zwei Ohren besitzt, den lasset hören.“

Schon dieser erste Satz lässt jeden „ordentlich Gläubigen“ abwinken, denn hier wird eigentlich die uns bekannte „Ordnung der Natur“ aufgehoben, wird ein Modell vorgeschlagen, dass „alles mit allem“ verknüpft und Materie sowie Kreatur als „in eigener Wurzel“ auflösbar bezeichnet. Nun, für „Christen“ und Naturwissenschaftler erübrigt sich ein Weiterlesen aber für den der erkannt hat, dass wir wirklich „im Geiste Gottes“ leben, beginnt der Text mit einer völlig logischen Einleitung und die Neugier ist geweckt. Diese generelle Andersartigkeit der Weltbetrachtung lässt sich nur begreifen, wenn man erlebt hat, dass auf dem Weg zu Gott zwei Bewusstseinsstufen zu erklimmen sind, die das eigene Erleben und Begreifen komplett verändern. Zwei Bewusstseinszustände bewirken zwei Denkwelten und somit auch zwei Weltanschauungen. Unvereinbar aber nicht unüberbrückbar! 

Teil 2

Petrus sprach zu ihm: „Nachdem du uns alles erklärt hast, erzähle uns auch dies: Was ist die Weltsünde.“ 

Der Retter sprach: „Es gibt keine Sünde. Ihr erschafft Sünde mit den Dingen, die ihr tut, dies ist z.B. die Natur des Ehebruchs, die Sünde genannt werden kann. Das ist der Grund, wieso das Gute in eure Mitte trat, als Essenz einer jeden Natur, um sie wieder zu Seinen Wurzeln zurückzuführen.“ 

Dann fuhr Er fort und sprach: „Dies ist der Grund, wieso ihr krank werdet und sterbt. Jener der verstehen kann, der verstehe. Die Materie gebar eine Leidenschaft (Leid?), der keiner ebenbürtig ist und aus etwas der Natur Gegensätzlichem entstand. Denn darauf folgt eine Störung des ganzen Körpers. Dies ist auch der Grund, wieso ich sagte: ‚Seid guten Mutes!’, wenn ihr entmutigt seid, seid mutig in der Gegenwart der verschiedenen Formen der Natur. Jener der Ohren hat, der höre.“

Es gibt keine Sünde?! Was für eine Aussage!! Der pure Hohn für alle Dogmatiker und Moraltheologen! Wenn man sich mit dem „Wesen Mensch“ eingehend beschäftigt kommt man aber bald dahinter, dass die „Freiheit“ des Menschen eine höchst fragwürdige Angelegenheit ist und man zunächst alle psychologisch und neurologisch bedingten Zwänge verstehen sollte bevor man einem Menschen sündhaftes Handeln unterstellt. Aus den reinen „Leidenschaften“ – heute würde man wohl Trieben sagen – entstehen im menschlichen Miteinander Verletzungen der Seele. Völlig korrekt wählt hier Jesus als Beispiel den Ehebruch denn es fällt nicht schwer die Entstehung des Leids auf dieser Welt auf den – vor allem männlichen – Sexualtrieb zurückzuführen. Die Verletzungen der Seele aber stören die innere Ordnung und der Ausbruch von neurotisch bedingten Krankheiten ist nicht fern. Das „Gute“ – heute würden wir auch Licht sagen – trat also vor allem deswegen in die Welt um diesen zwangsläufigen Prozess der Evolution umzukehren und sowohl Geist als auch Körper zu heilen. Dieser Weg ist nicht ganz ohne Anstrengung und Gefahr und so kann man die Aufmunterung Jesu: ‚Seid guten Mutes!’ auch gut gebrauchen!

Teil 3

Als der Gesegnete dies sagte, grüßte Er sie alle und sprach: „Friede sei mit euch. Empfangt meinen Frieden in euch. Achtet darauf, dass euch niemand in die Irre führt, indem er sagt: ‚Seht hier, seht dort…’, denn der Sohn Gottes ist in euch. Folget Ihm! Jene, die Ihn suchen, werden Ihn auch finden. Gehet hin und prediget das Evangelium des Königreichs. Legt nicht sämtliche Regeln beiseite, die ich euch mitteilte, und gebt kein Gesetz auf, so wie es die Gesetzesgeber tun und euch somit beschränken.“

Klarer kann man das nicht ausdrücken! Der Sohn Gottes, Christus, ist in uns zu finden, nirgends sonst. Jesus meint sich da übrigens nicht selbst, er ist ja Jesus aus Nazareth und nicht Christus, der Sohn Gottes. Das war den Zuhörern damals auch völlig klar, denn diese Gleichsetzung fand ja erst viel später im Laufe der Entstehung der „Christlichen Religion“ statt! „Haltet euch an meine Worte aber erstellt kein neues Regelwerk wie es die Gesetzgeber tun!“, ist schon alles was er uns sagen wollte, denn mehr braucht es auch nicht!

Teil 4

Petrus sagte zu Maria: „Schwester, wir wissen, dass der Retter dich mehr liebte als alle anderen Frauen. Berichte uns von den Worten des Retters, die du erinnerst – die du kennst und wir nicht oder von denen wir noch nie gehört haben.“

Maria antwortete und sagte:

„Was dir verborgen, werde ich dir kundtun.“ Und sie sprach zu ihnen die Worte: „Ich…“, sprach sie, „Ich sah Christus in einer Vision und ich sprach zu ihm: 

’ Christus, ich sah dich heute in einer Vision.’ 

Er antwortete darauf und meinte:

’ Sei gesegnet dafür, dass du nicht gezaudert hast, als du mich erblicktest. Denn dort, wo der Geist ist, da ist der Hort.’ 

Ich sprach zu ihm:

’ Christus, wie sieht Er in einer Vision, die durch die Seele oder durch den Geist gesehen wird?’ 

Da antwortete der Retter und sprach:

’ Er sieht weder durch die Seele noch den Geist, sondern durch den Verstand, welcher zwischen diesen beiden steht – das ist es, wie man eine Vision sieht.’

Dieser erste Teil von Marias Rede mutet wie eine innere Zwiesprache mit Christus über ihren Bruder Jesus an, denn sie fragt IHN nach der Art wie „Er“ denn eine Vision sieht. Christus „erklärt“ ihr dies mit den Worten: „Er sieht weder durch die Seele noch den Geist, sondern durch den Verstand“ wobei man zum besseren Verständnis anstelle der Worte „Seele und Geist“ wohl „Traum und Eingebung“ setzen sollte, denn diese Art „Visionen“ dürften Jesus weitgehend fremd gewesen sein. Der Verstand aber ist es der Jesus durch sein Leben leitete! Seine Person brauchte keine Visionen, wenn man mal von seiner Berufung absieht, er lebte „in Vollmacht“, durchdachte mit seinem Verstand die Schöpfung und entschied nach freiem Willen.

Teil 5

’Ich sah nicht, wie du herabstiegst, aber jetzt sehe ich, wie du aufsteigst. Wieso lügst du also, weil du zu mir gehörst?’ 

Die Seele antwortete und sprach:

’ Ich sah dich. Und du hast mich weder gesehen noch erkannt. Ich diente dir einst als Gewand und du hast mich nicht erkannt!’ 

Als sie (die Macht) das ausgesprochen hatte, verschwand sie lachend (frohlockend): 

Danach kam es auf die dritte Macht an, die da Ignoranz lautet. Sie (die Macht) befragte die Seele: ’ Wohin gehst du? In Boshaftigkeit wirst du gebannt, urteile nie!’ 

Und die Seele sagte: ’ Wieso verurteilst du mich, obwohl ich dich nicht verurteilt habe? Ich war gebunden, doch habe nie gebunden. Ich bin nicht erkannt worden. Aber ich habe erkannt, dass sich die Ganzheit auflösen wird, sowohl die Irdischen Dinge als auch die Himmlischen.’ 

Als die Seele die dritte Macht besiegt hatte, stieg sie weiter auf und erkannte die vierte Macht, die sieben Formen besaß. Die erste Form war die Dunkelheit, die zweite das Verlangen, die dritte die Ignoranz, die vierte die Furcht vor dem Tode, die fünfte das Königreich des Fleisches, die sechste die närrische Weisheit des Fleisches und die siebte die zornige Weisheit. Diese sind die sieben Mächte des Zorns.’ Sie (die Mächte) befragen die Seele: ’ Woher kommst du, Menschenmörder, oder wohin gehst du, Welteneroberer?“ Die Seele antwortete und sprach: „Was mich einst gebunden ist nun befreit, und was mich umgab, ist nun überwunden worden, und die Ignoranz ist besiegt. In einer Welt wurde ich von der Welt befreit, in einer Art himmlischen Gestalt sowie von den Fesseln der Vergessenheit, die vergänglich ist. Von jetzt an werde ich für den Rest der Zeit, der Jahreszeiten, der Äonen, in Stille beabsichtigen.’

In diesem Textteil beschreibt Maria ihr subjektives psychisches Erleben während ihres Aufstiegs zur Reinheit. Damals waren Zusammenhänge der Psychologie nicht bekannt und hilfreiche Literatur gab es überhaupt nicht. Also wählte Maria eine Bildersprache mit der sie diesen inneren Konversionsprozess ihren Zuhörern begreiflich machen konnte. Interessant dabei ist sowohl das „Stufenkonzept“ als auch die „sieben Formen der vierten Macht“ die sie als Modell wählt um ihre Erlebnisse zu beschreiben. In den kanonischen Evangelien wird erwähnt, dass Maria Magdalena von 7 Dämonen heimgesucht war, was auf schwerste Zerstörungen ihrer Psyche durch entsprechende Erlebnisse hinweist. All diesen „Dämonen“ aber begegnet sie auf ihrer Reise erneut, muss ihnen widerstehen und sie überwinden. Sie dürfte damals einen sehr harten Weg gehabt haben und dennoch hat sie sich von allen Fesseln befreien können, wurde innerhalb dieser Welt von dieser Welt befreit und hat die „Stille“ gefunden. Dieser Text ist wahrlich ein großartiges Zeugnis vom Weg zur Erleuchtung und da ihn damals wohl nur sie und ihr Bruder geschafft haben dürfte sich es bei dieser Schilderung um einen authentischen Bericht von Maria Magdalena handeln!

Teil 6

Als Maria dies gesprochen hatte, fiel sie in Stille, denn das war der Moment, als der Retter mit ihr gesprochen hatte. 

Doch Andreas antwortete und sagte zu den Jüngern:

„Sprecht, was sagt ihr darüber, was sie eben erzählt hat? Ich bin der letzte der glaubt, dass dies der Erlöser gesagt hat. Diese Lehre ist sicherlich eine befremdliche Vorstellung.“ 

Petrus antwortete und sprach die gleichen Dinge betreffend. Er befragte sie nach dem Retter:

„Sprach Er wirklich ohne unser Wissen mit einer Frau und das nicht öffentlich? Sollen wir uns ihr nun zuwenden und ihr künftig zuhören? Hat er sie uns vorgezogen?“ 

Dann weinte Maria und sagte zu Petrus:

„Mein Bruder Petrus, was denkst du denn? Denkst du, dass ich mir all dies in meinem Herzen ausgedacht habe oder dass ich über unseren Retter Lügen erzähle?“ 

Levi (Matthäus) antwortete und sagte zu Petrus:

„Petrus, du warst schon immer temperamentvoll. Nun sehe ich, wie du dich gegen diese Frau aufbäumst als wäre sie dein Gegner. Denn wenn der Retter sie als wertvoll erachtete, wieso möchtest du sie dann ablehnen? Der Retter kennt sie sicherlich sehr gut. Das ist der Grund, wieso er sie mehr liebte als uns. Wir sollten uns besser schämen und lieber dafür sorgen, den perfekten Menschen in uns und für uns zu leben, so wie Er es uns aufgetragen hat. Lasst uns das Evangelium predigen und nicht Gesetze aufstellen, die jenseits dessen stehen, die uns der Retter mitgeteilt hat.“

Danach begonnen sie zu verkünden und zu predigen… (Ende)

Deutlicher kann es kaum überliefert werden, dass die Jünger keinen blassen Schimmer hatten was Maria da eigentlich erzählte. Diese Szene dürfte kurz nach „Pfingsten“ stattgefunden haben und der Erkenntnisstand den man nach dem „Empfang des heiligen Geistes“ hat reicht bei weitem nicht aus, diese Schilderungen des weiteren Verlaufs des „Pfades zur Weisheit“ zu begreifen. Andreas und Petrus lassen erkennen, dass eine Wesensänderung in ihnen noch nicht stattgefunden hat und lediglich Levi ergreift Position für Maria. So zogen die Jünger aus und begannen das zu predigen was sie verstanden hatten, aber das war eben nur ein Teil seiner Erkenntnisse. Sie konnten mit diesem Erkenntnisstand aber nicht wissen dass ihre Worte nicht „fälschungssicher“ waren und sie bald bis zur Unkenntlichkeit verändert werden würden.

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